Eine Tradition stirbt aus
Blütenweisse Wäsche
Stärker als der technologische Fortschritt wirkte sich, vor allem im häuslichen Bereich, der gesundheits- und sozialpolitische Wandel auf die Wascharbeit und auf die Frauenrolle aus. Unter dem Einfluss von Naturwissenschaft und Medizin wurde Hygiene seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert zur weiblichen Tugend erklärt. Ärzte wie Lehrerinnen forderten die Frauen auf, für Sauberkeit in Wohnbereich und Kleidung besorgt zu sein. Und die Waschmittel-Werbung versprach 1923 eine «blendend weisse und desinfizierte Wäsche»(1). Seifenprodukte und Waschmittel brachten zwar eine gewisse Erleichterung. Doch demgegenüber stand der erhöhte Aufwand für eine garantiert saubere und keimfreie Wäsche. Die Grosse Wäsche des 19. Jahrhunderts hatte im Zeichen der vorindustriellen Arbeitsorganisation gestanden. Nun wurde das Waschen zur Bewährungsprobe der einzelnen Hausfrau. Langsam, aber sicher setzte sich das bürgerliche Rollenbild der ordentlichen, sparsamen und reinlichen Hausfrau in den Köpfen der Dorfbewohnerinnen fest. Eine Ziefnerin erinnert sich: «Man war einfach ein wenig drauf, dass man saubere Sachen hatte zum Aufhängen. […] Man musste schon darauf achten, dass man vor den anderen nicht zurückstand.»(2)
(1) Beatrice Schumacher: Ziefener Waschgeschichte(n). Ein Beitrag zur Geschichte des Waschens im 20. Jahrhundert, Ziefen 1994, S. 25
(2) Beatrice Schumacher: Ziefener Waschgeschichte(n). Ein Beitrag zur Geschichte des Waschens im 20. Jahrhundert, Ziefen 1994, S. 36