Ansehen dank Freizeit
Die äussere Gestalt einer römischen Villa wie jener in Munzach spiegelt den sozialen Aufbau der gallorömischen Gesellschaft. Diese kannte scharf getrennte Klassen und Schichten, wobei das Verhältnis der Menschen zur Arbeit das zentrale Unterscheidungsmerkmal war.(1) Das Herrenhaus einer Villa war meistens gross und mit den Insignien römischen Luxus’ wie Bädern und Heizungen ausgerüstet sowie mit Brunnen, Mosaiken und andern Kunstwerken geschmückt. Dem Haushalt stand die Frau des Villenbesitzers, die Domina, vor. Ein Villenbesitzer gehörte zur führenden Schicht der römischen Gesellschaft. Sein Ansehen beruhte auf dem Grundbesitz und der Möglichkeit, sein Leben ohne Arbeit zu fristen. Zur Zeit der Römer war nicht angesehen, wer Arbeit hatte, und ausgestossen, wer arbeitslos war, sondern es verhielt sich gewissermassen genau umgekehrt: Nur wer ausreichend Land oder Vermögen besass, um sich freiwillig den öffentlichen Aufgaben und der Musse hingeben zu können, genoss Ansehen. «Die einzige Tätigkeit, die eines freien Mannes würdig ist, ist bestenfalls die politische Tätigkeit, die Musse und die Trennung von der Handarbeit impliziert.»(2) Die freien und angesehenen Bürger genossen otium, Musse, während diejenigen, die arbeiten mussten, im negotium, Nicht-Musse, lebten.
(1) Yolanda Hecht: Zum Sozialstatus der ländlichen Bevölkerung im Hinterland von Augusta Raurica, in: Mille Fiori. Festschrift für Ludwig Berger, Augst 1998, S. 61-66
(2) Maurice Godelier: Natur, Arbeit, Geschichte. Zu einer universalgeschichtlichen Theorie der Wirtschaftsformen, Hamburg 1990, S 140