Dörfliche Selbsthilfe
Die Entwicklungen im Bereich der Uhrenfabriken, der Sparkassen und der Elektrizität verdeutlichen ein Baselbieter Spezifikum der Industrialisierung: die Selbsthilfe. Die korporative Selbsthilfe war in den Gemeinden eine lange eingeübte Praxis. Tauchten – wie im Laufe der Industrialisierung sehr oft – neue Probleme auf, so lag es nahe, diese ebenfalls durch die tradierten Formen der Selbsthilfe zu bewältigen. Doch stand die Tradition nicht mehr allein. Modernere Formen, öffentliche Aufgaben anzupacken, begannen sie zu konkurrenzieren, namentlich zentral- oder sozialstaatliche Formen. Langfristig nahm die Selbsthilfe sogar an Kraft ab. Was aber machte die politische Kultur der korporativen Selbsthilfe aus? Sie orientierte sich am dörflichen Horizont. Kanton und Bund waren als Orientierungsgrössen noch zweitrangig. Sie richtete sich denn auch gegen zentralstaatliche Kompetenzen. Waren diese unvermeidlich, so wurden sie von den Gemeinden durch politische und finanzielle Restriktionen zurückgebunden. Sie wendete sich aber auch gegen die Arroganz der Eliten, die zu wissen glaubten, was dem «Volk frommt». Bezeichnend für die Form der Selbsthilfe war ihre Ausrichtung: Beteiligt waren alle wirtschaftsfähigen Männer als grundsätzlich gleichberechtigte Glieder. Ausgenommen waren: Frauen, Fremde und Falliten, die in Konkurs Geratenen.(1)
(1) Ruedi Epple: Selbsthilfe gegen Kreditnot, in: Aktion Finanzplatz Schweiz – Dritte Welt (Hg.): Alternative Banken als Ort der Veränderung?, Schriftenreihe 3/1994, S. 15f.