Ergänzender Artikel zu:
Dialektliteratur

Antiquiert und aufmüpfig

In der Baselbieter Mundartdichtung wurde der Einfluss bestimmter literarischer Genres, der romantischen Naturlyrik oder der sentimentalen Dichtung des 19. Jahrhunderts hörbar: zum Beispiel bei Titeln wie «Böllelichlee» oder «s’ herbschtelet». Einen eigenwilligen Stil entwickelte Hans Gysin, Landwirt aus Oltingen, mit seinen Dichtungen voller Frömmigkeit und knappem Humor. Er habe nur «die Hochschule des Lebens» besucht, meinte Gysin. Die meisten Mundartdichter und -dichterinnen des Baselbiets schrieben aber aus einer höheren Bildung heraus, viele waren im Lehrberuf tätig. Nicht wenige wechselten auch ab zwischen Standarddeutsch und Dialekt. Diese Blütezeit der Dialektliteratur endete in den 1960er-Jahren. Die jahrelange Gleichsetzung von Dialekt–volkstümlich–traditionell hatte zu einer Abschottung von Alltagssprache und Literatur geführt, Mundartdichtung erschien dem Lesepublikum antiquiert und fremd. Aus dieser Krise heraus wurden neue sprachliche Formen entwickelt und vor allem fanden zeitkritische Themen Eingang. In den 1970er-Jahren wurde Dialekt zum Kennzeichen sozialer Protestbewegungen, etwa beim Widerstand gegen das geplante Atomkraftwerk Kaiseraugst. Mundartchansons, wie sie im Baselbiet Aernschd Born sang, trugen das ihre dazu bei, Dialekt zum Symbol von Nonkonformität und Selbstbestimmung zu machen.

Zum Thema

Margaretha Schwab-Plüss

Porträt Schriftstellerin Helene Bossert, 1973

 
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