Dialektliteratur
Mal vereinnahmt als Zeugnis volksnaher Kunstfertigkeit, mal abgetan als Genre- und Idyllenliteratur, mal Hoffnungsträger regionaler Identität – immer stand Mundartdichtung im Spannungsfeld von Identitätsstiftung und künstlerischem Bestreben. Als erster Mundartdichter im jungen Kanton trat um 1860 der Pfarrer Jonas Breitenstein auf.(1) Man nannte ihn auch den «Baselbieter Gotthelf», wegen seiner realistischen Schilderungen des Kleinbauern- und Posamenterlebens. Diese verfasste er in standarddeutscher Schriftsprache. Die Mundartlyrik Breitensteins hingegen stand ganz in der Nachfolge von Johann Peter Hebel. Nicht zufällig trugen Breitensteins erste Versuche den Titel «Jurablüthen oder Versuch neuer alemannischer Gedichte». Hebels Vorbild prägt auch die nachfolgenden Generationen. Der wohl bekannteste Mundartdichter aus dem Baselbiet, Traugott Meyer, geboren 1895 in Wenslingen, erinnerte sich, dass Hebels Gedichte im Lesebuch standen und dass seine Theaterstücke in der Schule aufgeführt wurden. Die ungebrochene Popularität der Dialektliteratur bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts beruhte vermutlich auf ihrer Mischung aus genauer Beobachtung, Lokalkolorit und Idyllik. Ob in der Beschreibung von Landschaften, der Charakterisierung von Personen oder in der Schilderung von Gemütszuständen, die einfache Form und der vertraute Klang der Sprache zeichneten die Texte von Ida Schweizer-Buser, Helene Bossert, Elisabeth Thommen, Margaretha Schwab-Plüss, Pauline Müller-Düblin, Emil Schreiber und vieler anderer aus.
(1) Jonas Breitenstein. Auswahl und Einleitung von Rudolf Suter, Basel 1992