Abgeriegelte Grenzen
Die eidgenössischen Behörden waren bestrebt, aus der Schweiz ein Transit- und kein Asylland zu machen. Seit 1933 galt in der Schweiz der Grundsatz, dass Jüdinnen und Juden, die Deutschland aufgrund der Boykottmassnahmen verlassen hatten, kein politisches Asyl erhielten. Diese Regelung blieb bis 1944 in Kraft. 1933 war es für Flüchtlinge aus Deutschland zwar noch möglich, ohne Visum in die Schweiz einzureisen, mehr als eine Verschnaufpause zur Planung der Weiterreise gewährte man ihnen jedoch nicht. Die kantonalen Toleranzbewilligungen der Fremdenpolizei waren in der Regel nicht länger als drei Monate gültig. Zur Verschärfung der Einreisebestimmungen seit 1938 gehörte die Ausdehnung der Visumspflicht und die Einführung des «J»-Stempels in Deutschland, als Resultat von Geheimverhandlungen mit der Schweiz. Seit Ausbruch des Krieges war eine Weiterreise praktisch unmöglich geworden. Bewilligungen zur legalen Einreise wurden kaum noch erteilt. Die restriktive Haltung der Behörden liess den Verfolgten letztlich nur noch den illegalen Fluchtversuch in die Schweiz übrig. Sowohl vor als auch während des Krieges wurden Flüchtlinge an der Grenze zurückgewiesen und illegal Eingereiste zurückgeschickt. Während des Zweiten Weltkrieges wiesen die Behörden an der Schweizer Grenze nachweislich über 24 000 Menschen weg. Hinzu kamen die abgewiesenen Einreisegesuche: Von den zwischen 1938 und November 1944 behandelten «Einreisegesuchen von Ausländern, die in der Schweiz Zuflucht suchten», wurden 9600 bewilligt, 14 500 abgelehnt.(1)
(1) Guido Koller: Entscheidungen über Leben und Tod. Die behördliche Praxis in der schweizerischen Flüchtlingspolitik während des Zweiten Weltkriegs, in: Die Schweiz und die Flüchtlinge 1933-1945, Zeitschrift des Schweizerischen Bundesarchivs 22, 1996, S. 97