Widerstand gegen staatliche Intervention
«Als ich als Mitglied des basellandschaftlichen Regierungsrates im Jahre 1867 ein Fabrikgesetz vor die Behörden brachte, das die Nachtarbeit abschaffte und die Frauen- und Kinderarbeit einschränkte, erklärten sich zahlreiche basellandschaftliche Fabrikarbeiter gegen das Gesetz, weil sie dem Staate die Befugnis nicht einräumen wollten, zu bestimmen, wie sie ihre Frauen und Kinder zu verwenden hätten.» So erinnerte sich der ehemalige Regierungsrat Emil Frey 1908 an die politische Kultur im Baselbiet, welche dem Projekt eines modernen Staates entgegenstand.(1) Freys Fabrikgesetz hiessen die Baselbieter Stimmbürger 1868 zwar deutlich gut. Es blieb aber auf lange Zeit das einzige interventionistische Gesetz. Statt auf staatliche Eingriffe setzte man damals noch in erster Linie auf genossenschaftliche Krisenstrategien sowie auf kommunale oder karitative Sozialhilfe. Erst die neue Staatsverfassung von 1892 legte erste zaghafte Grundlagen für einen modernen Sozial- und Interventionsstaat. Doch als der Bauern- und Arbeiterbund in den 1890er-Jahren konkrete staatliche Eingriffe zugunsten der verschuldeten Kleinbauern und Posamenter forderte, erlitt er Schiffbruch. In der Auseinandersetzung um die Einschränkung der ärztlichen Praxis und um die Erhebung kantonaler Steuern hielt der Widerstand noch bis tief ins 20. Jahrhundert an. Der moderne Sozial- und Interventionsstaat war keine Selbstverständlichkeit. Die politischen Kräfte, die ihn befürworteten, mussten sich zuerst organisieren und durchsetzen.
(1) Schweizerische Blätter für Wirtschafts- und Sozialpolitik, Jg. 16, Bd. 1, Bern 1908, S. 1-15