Ergänzender Artikel zu:
Steuerwiderstand

Schuldgefühle

Der Brief der Lydia Correncourt an den Armeninspektor Emil Gysin von 1874 schildert, was Armut ausser Hunger und Kälte auch bedeutete: Ausgrenzung und Schuldgefühle.(1) Im Brief heisst es: «Ich ersuche desswegen Sie gütiger Herr Gisin, nehmen Sie sich um uns an und habt Erbarmen mit mir und unsren Kindern, Wie Sich Gott Erbarmt über einen Sünder der Busse thut.» Der Vergleich mit den bussfertigen Sündern lässt deutlich werden, wie sehr Lydia Correncourt-Wagner ihre Armut als ihr persönliches Fehlverhalten ansah, obwohl sie ein paar Zeilen weiter unten bemerkte: «Ich zwar bin nicht Schuld daran». Ihre Gemütslage schwankte zwischen Unschuldsbeteuerung und Selbstbezichtigung. Bände spricht die Tatsache, dass die Formulierungen, wie sie Lydia Correncourt-Wagner brauchte, den Armeninspektor in Gottesnähe rückten. Natürlich liegt der Rückgriff auf derartig starke Bilder auch an der mangelnden Routine, Briefe zu schreiben, und an der fehlenden Treffsicherheit. Dennoch widerspiegeln diese Wendungen eine Erfahrung, welche Lydia Correncourt-Wagner und ihresgleichen immer wieder machten. Je nach Verhalten des Armeninspektors war er Gott oder Teufel. In ihm allein sah Lydia Correncourt-Wagner ihre Rettung. «Ich fertröste mich auf Sie weil Ich sehe dass Sie ein Rechter Vater sind für Arme …» Würde er reagieren, wäre sie gerettet. Würde er nichts in die Wege leiten, so müsste sie «zu Grund gehen». «Es wird Ja imer wie kälter […] geschweige wo man keine betten hat für die Kinder.»

(1) Staatsarchiv Baselland, NA, Armensachen G 2.3.13, 1874

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