Stadt und Land
Immer stärker machte sich seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert der Einfluss der Stadt auf die ländlichen Brauchformen bemerkbar. In Läufelfingen zogen zwar noch in den 1940er-Jahren traditionelle Fasnachtsgestalten wie «Wäibelwyb» und «Straumaa» umher. Doch in Liestal gab es bereits 1880 einen Morgenstreich und in Allschwil 1904 Schnitzelbänke und Fasnachtszeitungen. Umgekehrt wurden einzelne Bräuche im 20. Jahrhundert neu erfunden. Die eindrucksvollen Feuerwagen beim Chienbesen-Umzug in Liestal zum Beispiel datieren aus den frühen 1930er-Jahren, die Sissacher «Chluuriverbrennig» von 1933. In den Jahrzehnten vor und nach dem Zweiten Weltkrieg erhielt Folklore Auftrieb, unter anderem angeregt durch die Frage der Wiedervereinigung. Auch in den 1960er-Jahren bedienten sich Befürworter eines selbstbewussten Baselbiets solcher Brauchtumssymbolik. Um dieselbe Zeit tauchte das Wort von der «Bauernfasnacht» auf. In Sissach erschien 1961 das seit Jahrzehnten verpönte «Hutzgüri» wieder, um dem «fasnächtlichen Allerweltsbetrieb die alte einfache und urchige Baselbieter Dorffasnacht» entgegenzustellen. Die Wurzeln dieser Folklorebewegung lagen im Oberbaselbiet des frühen 20. Jahrhunderts. Im unteren Kantonsteil gewann sie erst später an Bedeutung, durch das rasante Wachstum der Nachkriegszeit. Mit dem Rückgriff auf vereinzelte bäuerliche Brauchformen, gereinigt von Blut und Schweiss, schufen sich Teile der modernen Baselbieter Gesellschaft eine eigene Identität – in Abgrenzung zur Stadt.
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