Verwaltung der Armut
Die Staaten konnten im 19. Jahrhundert nicht zu einer die Wurzeln des Problems anpackenden Sozialpolitik greifen. Für die Behebung der Armut übernahmen sie keine Verantwortung. Indessen definierten sie den Geltungsbereich des Begriffs Armut und damit jene Gruppen, welche als arm zu gelten hatten. Die Staaten und die Kantone konnten bloss die Zuständigkeit für die Verwaltung der Armut regeln. Im 19. Jahrhundert kam in dieser Frage ein ausgeprägter Kommunalismus zum Zuge, nicht nur im Baselbiet. Es gab wohl in dieser Epoche kaum eine wichtigere Institution als die Armenkasse der Gemeinden. Die Verwaltung der Armut lag bis ins 20. Jahrhundert in der kommunalen Verantwortlichkeit. Sie wurde umso schwieriger, je mehr sich die liberale, am Arbeitsmarkt sich orientierende Gesellschaft entwickelte. Arbeit und Lohn galten immer stärker als allein glücklich machende Massstäbe, versinnbildlicht im Spruch, der die Untere Fabrik in Sissach zierte: «Schaffen und streben, Arbeit heisst Leben». Je schwächer ständische, verwandtschaftliche und dörfliche Verbindungen wurden, umso mehr mussten sich die Gemeinden um jene kümmern, welche aus diesen sich auflösenden Netzen herausfielen. Anderseits musste der Staat darauf achten, dass das Prinzip Arbeit nicht durch die Wohlfahrt ausgehebelt wurde. Arbeits- und mittellos zu sein, durfte auf keinen Fall als attraktiv erscheinen.