Ergänzender Artikel zu:
Anfänge einer Armenpolitik

Ehrensache

Von der politischen Mitbestimmung ausgegrenzt blieben im Baselbiet des 19. Jahrhunderts neben Frauen und Fremden auch Fallite und Armengenössige. Männer, die Konkurs oder eben fallit gingen, oder Männer, die von der Armenkasse der Gemeinde abhängig wurden, verloren ihr Stimm- und Wahlrecht. Die stimmberechtigten Bürger bestraften wirtschaftlichen Misserfolg und Armut, indem sie dem Betroffenen die bürgerlichen Ehrenrechte entzogen. Damit wollten sie zweierlei erreichen: Erstens versuchten sie, die Armenkasse der Gemeinde zu schonen. Verluste der Armenkasse konnten nämlich das Vermögen der Bürgergemeinde schmälern und schlimmstenfalls Einlagen der Bürger erforderlich machen. Zweitens wollten sie ihren Vorstellungen von einem guten und sittlichen Lebenswandel Nachachtung verschaffen. Wer einen Konkurs erlitt, hatte sich in ihrer Sicht als zu wenig fleissig oder geschickt erwiesen. Er sollte mit seinem finanziellen Kapital zur Strafe auch das soziale Kapital verlieren, das sich mit dem Stimm- und Wahlrecht verband. Wenn er seine bürgerlichen Rechte verloren hatte, gehörte er nicht länger der ehrenwerten Gesellschaft der Aktivbürger an.(1) Wenn die Männer Abstimmungen und Wahlen im 19. Jahrhundert in geschlossener Versammlung durchführten, brachten sie auch zum Ausdruck, dass sie eine geschlossene Gesellschaft waren. Nicht jedermann hatte Zugang, nicht jedermann stand dieses Privileg zu.

(1) Christa Gysin-Scholer: Krank, allein, entblösst, Liestal 1997, S. 114-123

Zum Thema

Der Armenerziehungsverein, 1875

Video Clip - Kurt Lüthy, der letzte Armeninspektor des Baselbiets

 
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