Ergänzender Artikel zu:
Freigabe der ärztlichen Praxis

Eigenverantwortung

Im Streit um die Freigabe der ärztlichen Praxis ging es im frühen 20. Jahrhundert um Ähnliches wie beim Widerstand gegen Hochspannungsleitungen in den 1920er-Jahren. Die Baselbieter Stimmberechtigten sprachen den kantonalen Instanzen das Recht und die Kompetenz ab, darüber zu befinden, welchen Ärzten und anderen Medizinalpersonen sie ihr Vertrauen schenken dürfen. Damit meldeten sie den Anspruch an, die Verantwortung für die körperliche Gesundheit in den eigenen Händen zu behalten. Dieser Wille war im Kanton Basel-Landschaft derart tief verankert, dass sich noch bis ins 20. Jahrhundert hinein das Hebammenwahlrecht der Frauen halten konnte. Dem sozialstaatlichen Zugriff auf Körper und Gesundheit setzten Männer und Frauen Widerstand entgegen.(1) Sowohl im Streit um die Hochspannungsleitung wie in der Auseinandersetzung um die Freigabe der ärztlichen Praxis waren jene Schichten der Bevölkerung Trägerinnen der Bewegung, die ihre ökonomische Basis im traditionellen Sektor hatten. Sie verteidigten ihre herkömmliche politische Kultur, die sich vorwiegend im lokalen Rahmen bewegte und sich gegen sozialstaatliche Eingriffe sowie gegen die Verlagerung der Kompetenzen von den Gemeinden zum Kanton oder zum Bund richtete.

(1) Ruedi Epple: Basel-Landschaft in historischen Dokumenten, Band 5, Liestal 1998, S. 305-313

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