Ergänzender Artikel zu:
Proporz

Reformzwänge

«Der Not gehorchend, nicht dem eignen Triebe, müssen wir der Vorlage beistimmen.»(1) Mit wenigen Worten brachte Regierungsrat Karl Tanner das Dilemma der Demokratischen Fortschrittspartei zum Ausdruck, als diese am ersten Sonntag im August 1919 das neue Wahlgesetz beriet. Das Gesetz betreffend die dem Volke zustehenden Wahlen und Abstimmungen, das den Baselbieter Stimmberechtigten eine Woche später am 10. August 1919 vorlag, enthielt als wesentliche Neuerung das Verhältnis- oder Proportionalwahlrecht. Die Landratssitze wollte man künftig nach «Massgabe der Stärke» unter den politischen Parteien aufteilen. In den Wahlen sollte nicht mehr entscheidend sein, welcher Kandidat in einem der 39 Wahlkreise die Mehrheit erhielt. Ausschlaggebend sollte der Anteil der Stimmen sein, welcher eine Partei in einem der sieben neuen Kreise erzielte. Vom Mehrheitswahlrecht hatten bisher vor allem die bürgerlichen Gruppierungen profitiert. Bei der Einführung des Proporzes mussten sie mit Verlusten rechnen. Das neue Wahlverfahren zwang sie, Macht und Einfluss mit den Minderheitsparteien zu teilen. Ihr «Trieb», das sah Regierungsrat Tanner klar, hätte dafür gesprochen, am alten Mehrheitswahlverfahren und damit an ihrer Vormachtstellung festzuhalten. Doch dem stand die «Not» entgegen: Als die Demokratische Fortschrittspartei am 3. August 1919 die Proporzvorlage beriet, leisteten Baselbieter Truppen in der Stadt Basel Ordnungsdienst. Am 30. Juli hatte der Basler Arbeiterbund einen Generalstreik ausgerufen.

(1) Basellandschaftliche Zeitung, 4. August 1919

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