Ergänzender Artikel zu:
Strukturwandel und neue Staatsaufgaben

Vereinskultur

Parallel zu der Identitäts-Schaffung durch Wissenschaft, Schule und Literatur veränderten sich die Bräuche im ausgehenden 19. Jahrhundert auch infolge des sozialen Wandels. Die «Chnaabe», Gruppen lediger Jünglinge, verloren als dörfliches Kontrollorgan an Bedeutung; für Disziplin sorgten jetzt Behörden und Lehrer. Vor allem aber die Vereine entwickelten sich zu den dominanten Akteuren im ländlichen Kulturleben. Ob Turner, Sänger oder Musikanten, jeder Verein lud ein zu Tanz, zu Konzert und zu Theaterabenden. Gespielt wurden vaterländische Geschichtsbilder, Possen und Rührstücke. Vorläufer dieser kulturellen Vereinigungen waren die Gesangs- und Schützenvereine gewesen, seit dem frühen 19. Jahrhundert wichtige Träger des neuen Staates. Deren Feste standen immer auch im Zeichen kantonaler oder nationaler Verbundenheit. Neue Formen der Geselligkeit wie Sängerfahrten, Vereinsausflüge und -abende traten so neben ältere Festbräuche wie etwa die Tanzveranstaltungen an Auffahrt oder Neujahr. Viele bäuerliche Bräuche, die ihre ursprüngliche Funktion verloren hatten, überlebten dank der Vereinsaktivitäten. Die Turner von Sissach verübten um 1900 Nachtbubenstreiche, der Rickenbacher Männerchor veranstaltete 1880 an Nachostern den Eierleset. Solche Verhaltensweisen waren immer weniger lebendiger Teil einer sich wandelnden Kultur. Wo sie ihre bisherige soziale Funktion verloren hatten, als so genannte Tradition aber in unveränderter Form beibehalten wurden, gerannen sie bald zum folkloristischen Schau-Brauchtum.

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